TOKIO — „Wer in Japan Geschäfte machen will, muß zuerst das Land, die Kultur und die Sprache kennen lernen“ ,markiert Dr. Reinhold Stapf die Startlinie. „Und er muß darauf achten, daß deutsche Qualitätsarbeit ihren Ruf wahrt“, ergänzt Konrad Ritzinger. Sie wissen, wovon sie sprechen, denn sie arbeiten für Agfa-Laborgeräte bei Copal in Japan: Dr. Stapf koordiniert die Entwicklungsarbeiten, Konrad Ritzinger leitet die Qualitätskontrolle in der Minilab-Produktion.

Dr. Reinhold Stapf lebt alles in allem nun schon acht Jahre in Japan. Der Aufenthalt begann mit der Anfertigung der Doktorarbeit in Osaka am „Institute for Laser-Engineering“. Während dieser Zeit erlernte er auch mit viel Fleiß die Landessprache. Derart wohl gerüstet kam der Physiker vor vier Jahren zu Agfa-Laborgeräte nach München — und flog schon bald wieder ab nach Tokio: als technischer Koordinator in der neu gegründeten Kooperation zwischen Agfa und Copal. In der Entwicklungsabteilung bei Copal gewährte man dem Gast zunächst den Ehrenplatz neben dem Schreibtisch des Abteilungsleiters im mit Leben gefüllten Großraumbüro, wies ihm dann aber — „weil ich zu viel Japanisch verstand und Firmengeheimnisse hätte erfahren können“ — ein eigenes Büro zu. Trotz der Abgeschiedenheit bleibt der heute 41 jährige zusammen mit den Älteren seiner japanischen Kollegen oft bis spät in die Nacht und geht gelegentlich mit ihnen aus, während die Jüngeren nach acht bis neun Arbeitsstunden beinahe pünktlich nach Hause eilen. Die traditionelle Arbeitsbesprechung, das „Morgengebet“, indessen überläßt Dr. Stapf allein den Japanern. Mit den Arbeitstagen freilich hält sich der Junggeselle an die Copal-internen Feiertage: Weihnachten und Ostern fallen also aus, aber zum Jahresanfang, in der „Golden Week“ Anfang Mai und im August, ist die ganze Firma jeweils ein paar Tage geschlossen. Zusätzlich zu den offiziellen Feiertagen haben die Japaner eigentlich noch 20 Tage Urlaub zur freien Verfügung. Ob es gesellschaftlicher Druck ist oder Angst, den Anschluß zu den Kollegen zu verlieren, weiß niemand so recht. Tatsache jedoch ist: Kaum ein Japaner nimmt den vollen Urlaub. Mehr als zwei, drei Tage bleibt man nur ungern von seiner Firma fern. Und „Resturlaub“ wird den Unternehmen großzügig „zurückgegeben.“

Konrad Ritzinger erkundet Japan gemeinsam mit seiner Frau auch gerne per Rad. Hier am Ziel eines Sonntagsausfluges: die mittelalterliche Burg Matsumoto.          

Qualitätsprüfung im Agfa/Copal-Werk Shiojiri: Konrad Ritzinger mit japanischen Kollegen (Yazaki_san)

Dr. Reinhold Stapf in der Entwicklungsabteilung von Copal.

„Nicht nur den Urlaubsgepflogenheiten müssen und wollen wir Deutschen uns fügen, auch der Samstag als Arbeitstag verliert sein Tabu“, erzählt dazu Konrad Ritzinger. Der Feinwerktechnik Ingenieur hat vor anderthalb Jahren die Qualitätskontrolle in Shiojiri übernommen. Ob er und seine Frau sich in den Japanischen Alpen, drei Zugstunden von Tokio entfernt, nicht einsam fühlen?
„Wir haben hier schnell Bekanntschaften geschlossen und nie Langeweile“, erwidern beide einmütig. Zwar hat Konrad Ritzinger auch einmal an einem von Copal organisierten Wochenendausflug nach Kyoto teilgenommen —
meist jedoch bevorzugt er Freizeitaktivitäten zusammen mit seiner Frau außerhalb der Firmenstruktur, zumal beide sich inzwischen gut auf Japanisch durchschlagen

können. Um sein eigenes Büro ist Konrad Ritzinger sehr froh — wegen des Lärms der Reinigungsgebläse in der Halle, die Großraumbüro und
Werkstatt zugleich ist. Auch
schätzt er die Dolmetscherin an seiner Seite, die Missver- ständnissen vorbeugen soll. Trotzdem hält er sich natürlich viel in der Halle auf und arbeitet an den Maschinen hautnah mit den Japanern zusammen. Und alle gemeinsam stürmen sie Punkt Zwölf, wenn der Gong schlägt und in der Halle für 45 Minuten die Lichter ausgehen, in die werkseigene Kantine. Ob er auch an der Gymnastik am Morgen teilnimmt?  „Nein, diese Gepflogenheit nehmen nur noch die Älteren wahr“, distanziert sich der 35jährige. Insgesamt wirkt Konrad Ritzinger schon ganz japanisch, wenn er in dem blaugrauen Copal-Kittel (selbstverständlich mit Agfa-

Aufnäher) durch die Gänge geht.
„Ein Firmenkittel wird in Japan bis in die hohen Ränge getragen — und zwar mit Stolz‘, erklärt er.
„Die Identifikation mit der Firma macht die Japaner stark. Sie zeigen eine hohe Bereitschaft, sich für ihre Firma einzusetzen“, lobt auch Dr. Stapf die japanische Arbeitsmoral, und: „Hier haben japanische Unternehmen einen nicht zu unterschätzenden Vorsprung gegenüber europäischen“. Daß sowohl Konrad Ritzinger als auch Dr. Reinhold Stapf diesbezüglich gerne von den Japanern lernen, ist nicht zu übersehen; mit dem Logo auf Kofferraum, Motorradhelm und Skiern bekennen sie sich zu ihrer Firma: Agfa.          Dr. S. Garreis
 




Agfa Rombus Ausgabe 5 November 1993